Äthergezeter
[...] RUNDFUNK - Wien bekommt ein neues Privatradio. Die wichtigsten Medienkonzerne des Landes bewerben sich um die Lizenz - dabei sollte es doch um mehr Meinungsvielfalt gehen.
Im Oktober 2005 endete die Antragsfrist für die zwanzigste Radiofrequenz in Wien. Auf sieben Frequenzen laufen bisher Privatradios, zwölf weitere benützt der ORF. Die ausgeschriebene Frequenz 98,3 werden 1,7 Millionen Wiener hören können. Für den lukrativen Markt sind 25 Anträge bei der zuständigen Behörde KommAustria eingegangen - ein neuer Rekord. Alle Anträge liegen dem Falter im Volltext vor.
Mit dabei sind die Verlage der wichtigsten Zeitungen des Landes. Ein Hitradio schlägt niemand vor - davon gebe es in Wien bereits genug, sind sich alle einig. Gleich drei aussichtsreiche Bewerber haben aber dieselbe Idee: ein Nachrichtensender für Wien. Die Bewerberfirma Hit FM Radio GmbH, an der Krone und Kurier beteiligt sind, nennt ihren Vorschlag news.talk und argumentiert im Antrag mit Meinungsvielfalt - hält jedoch indirekt Anteile an zwei weiteren Radios rund um Wien. Kann das Vielfalt sein? Die kritische Betrachtung der Medienkonzentration "hat sicher etwas für sich", sagt der Geschäftsführer Ernst Swoboda, der auch Krone-Hit-Geschäftsführer ist. "Auf der anderen Seite ermöglicht nur eine gewisse Stärke und Kompetenz solch ein kostenintensives Format."
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"Die Meinungsvielfalt ist hörerseitig zu betrachten, nicht verlegerseitig", sagt Martin Gaiger. Verleger ist in seinem Fall der Medienzar Wolfgang Fellner. Geht es nach dem Antrag der Fellner Privatstiftung, beginnt im nächsten Jahr eine "neue, digitale Medienära" in Wien. Im Fellner-Antrag fällt kein Wort so häufig wie "Tageszeitungsprojekt". Denn das geplante Inforadio "ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Konzeptarbeit". Der News-Gründer Fellner möchte ab Herbst nächsten Jahres nicht nur den Print- und Onlinemarkt aufmischen, sondern auch gleichzeitig den Radiomarkt - und zwar mit demselben Personal: Wolfgang Zekert soll Geschäftsführer des Radios sein, Christian Nusser der Chefredakteur. Beide hat Fellner auch schon für die geplante Tageszeitung verpflichtet.
Ebenfalls unter den Bewerbern ist die Styria Medien AG - Eigentümerin von Die Presse, Kleine Zeitung und Die Furche. Gemeinsam mit anderen Gesellschaftern möchte sie einen Rocksender in Wien etablieren. An Bord mit dabei sind Ex-ATVplus-Geschäftsführer Tilmann Fuchs und der ehemalige FPÖ-Justizminister Michael Krüger als Anwalt und Teilhaber - er hält zehn Prozent. [...]
Ein weiteres Gerücht, das viele der Antragsteller hinter vorgehaltener Hand erzählen: Die KommAustria wünsche sich die Styria für die Frequenz. Seitens der Behörde möchte man dazu nicht Stellung nehmen - laufende Verfahren werden nicht kommentiert. In der Branche ist dennoch von Absprachen auf höchster Ebene die Rede. "Dieses Gerücht gibt es an allen Ecken", sagt Mitbewerber Swoboda. Seinen Namen will keiner von den Gerüchtestreuern in der Zeitung lesen, denn das könnte dem eigenen Antrag schaden. "Wer so etwas Absurdes behauptet, der sollte auch dazu stehen, damit er zur Veranwortung gezogen werden kann", sagt Styria-Anwalt Krüger.
[...]Ebenfalls sehr beliebt sind Integrations- und Volksgruppenradios - davon gibt es drei Bewerber. Andere Anträge muten skurril an: Ein Wiener Journalist bewirbt sich für ein "Wellnessradio", das er mit seinem "idealistischen Freundeskreis" produzieren will. Auf "Radionostalgie" möchte ein Bewerber ausschließlich Schellackplatten spielen. Außerdem dabei: drei urbane Alternative-Radios, die offenbar im Segment von FM4 fischen wollen, sowie zwei christliche Radios mit Weltverbesserungsanspruch.
Eine Entscheidung im Vergabeverfahren wird für Mitte des Jahres 2006 erwartet. Ulrich Köring, Betreiber der Internetplattform radioszene.at, tippt auf eines der Rockradioprojekte, nennt die Entscheidungen der KommAustria aber "unvorhersehbar. Weder kann man eine Linie feststellen, noch ist es transparent, wie überhaupt entschieden wird." Laut Privatradiogesetz ist "auf die Meinungsvielfalt (...), die Wirtschaftlichkeit der Hörfunkveranstaltung sowie auf politische, soziale, kulturelle Zusammenhänge" Bedacht zu nehmen.
Das vergleichende Auswahlverfahren nennt die dem Bundeskanzler unterstellte Behörde offiziell "Beauty Contest". Widersprüchliche Entscheidungen scheinen durch den großen Interpretationsspielraum vorprogrammiert. [...]
"Jede Entscheidung ist quasi einzigartig", heißt es bei der KommAustria, und "kann nie losgelöst von konkreten Versorgungsgebieten oder Antragstellern betrachtet werden".
Die Wiener Landesregierung hat vergangene Woche Stellung genommen und wünscht sich eine Vergabe an LoungeFM - eines von zwei sogenannten Entspannungsradios, die sich um die Lizenz bewerben. Das Sendekonzept biete eine klare Abgrenzung zum derzeitigen Radioangebot und positioniere sich im Umfeld der "Creative Industries". [...]
www.falter.at
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